Interview über ein Lieblingsmaterial
Leinen gilt nicht nur als griffiger Material-Klassiker, sondern ist auch in Sachen Nachhaltigkeit ein Allround-Talent: Ähnlich wie Hanf kann er pestizidfrei angebaut werden, braucht wenig bis keinen Dünger im Anbau und wirkt dank seiner speziellen Fasern sowohl kühlend im Sommer, als auch trocknend und wärmend im Winter. Grund genug also, dass uns das Material in vielen Modellen auf Schritt und Tritt begleitet.
Warum wir so gerne damit arbeiten und was wir schon immer über Leinen wissen wollten, erzählt uns Cosima Meyer, Materialentwicklerin bei Wildling, im Interview.
Cosima, was ist Leinen überhaupt?
Leinen ist eine aus den Stängeln der Flachspflanze gewonnene Bastfaser. Der Grundbaustein der Faser ist zu 70 Prozent Zellulose, zudem enthält sie unter anderem Pflanzenleim und Wachse. Insgesamt begleitet uns das Material schon sehr lang: Schon seit Jahrtausenden wird Leinen vom Menschen genutzt und war neben Wolle bis ins 19. Jahrhundert der wichtigste Rohstoff für Textilien.
Was sind die wichtigsten Eigenschaften der Faser?
Puh, das sind sogar einige: Leinen wirkt kühlend, ist atmungsaktiv, luftdurchlässig und feuchtigkeitsregulierend – aufgrund seiner Molekularstruktur kann Leinen beispielsweise bis zu 20 % seines Eigengewichts an Feuchtigkeit aufnehmen, bevor es sich feucht anfühlt. Dazu ist es langfaserig, glatt, fest und hat einen natürlichen Glanz. Und es ist ein besonders dankbares Material für Outdoor-Liebhaber:innen, da es als natürlicher “Keimtöter” antistatisch ist und damit schmutzabweisend – ideal also für Wetterkapriolen aller Art.
Leinen gilt als besonders nachhaltig – kannst du uns erklären, woran das liegt?
Da Flachspflanzen wenig Wasser und Dünger benötigen, kann Leinen mit einer guten Ökobilanz glänzen. Auch die Verarbeitungsprozesse sind heutzutage sehr viel umweltschonender als zu früheren Zeiten. Als pures Naturprodukt lässt sich Leinen außerdem sehr viel besser recyceln und wiederverwerten als ein Stoffgemisch.
Zudem handelt es sich bei dem biologisch abbaubaren Material um eine heimische Naturfaser, die im europäischen Raum regional angebaut und direkt verarbeitet werden kann – im Gegensatz beispielsweise zur Baumwolle. Und die Faser hat noch einen Vorteil gegenüber klassischer Baumwolle: sie weist einen deutlich geringeren Wasserverbrauch auf.
Gerade in der ökologischen Landwirtschaft ist der Anbau dank der natürlichen Folge von Nährstoffentzug und Nährstoffrückführung deshalb sehr erfolgreich.
Warum eignet sich Leinen als Material für die Schuhverarbeitung?
Weil es gerade gegen die täglichen Herausforderungen sehr gut gewappnet ist: es ist kühlend, atmungsaktiv, feuchtigkeitsregulierend und dabei schmutzabweisend und luftdurchlässig – also eigentlich ein richtiger Allrounder für die Verarbeitung in Minimalschuhen.
Bei den neuen Modellen wie Lanka oder auch Eden aus der Refoxed-Kollektion habt ihr Leinen mit Baumwolle gemixt – was ist der Vorteil, der durch den Materialmix entsteht?
Weil es wie immer im Leben zwei Seiten der Medaille gibt. Neben den vielen Vorzügen hat Leinen den Nachteil, dass es nicht so scheuerfest ist. Die ideale Lösung dafür ist ein Mix mit robuster Baumwolle – das beste aus zwei Welten, sozusagen.
Warum ist die Faser insbesondere für den Frühling/Sommer geeignet?
Unser aller Füße kommen im Sommer mal ins Schwitzen. Das Innere der Leinenfaser hat die ideale Eigenschaft, viel Feuchtigkeit aufzunehmen (bis zu 35% Luftfeuchtigkeit!) und sie schließlich langsam nach außen hin abgeben zu können. Dadurch fühlt sich der Stoff auch bei stärkerem Schwitzen lange trocken an. Obendrein wirkt das Material aufgrund seiner glatten Oberfläche angenehm kühlend.
Woher stammt die Leinenfaser, die wir verarbeiten?
Wir verarbeiten ausschließlich Leinen europäischen Ursprungs.
Wie pflegt man seine Leinen-Lieblinge damit sie besonders lange schön bleiben?
Wir empfehlen, die Schuhe vor dem ersten Tragen gründlich zu imprägnieren und regelmäßig nachzubehandeln. Verschmutzte Schuhe werden am besten ausgeklopft und bei Bedarf vorsichtig in trockenem Zustand ausgebürstet oder behutsam mit einem feuchten Tuch gereinigt. Aber Achtung: Schuhe mit Leinenanteil sind nicht waschmaschinengeeignet.
Worauf habt ihr bei der Produktentwicklung der neuen Leinen-Modelle geachtet?
Die Leinen-Modelle sind so unterschiedlich, wie Geschmäcker verschieden sind. Unser Biber und Eden sind als Refoxed Modelle zurück gekommen, also alte und gerngesehene Bekannte. Beim Modell Lanka haben wir auf ein bewährtes, reduziertes Design mit guten Sommer-Eigenschaften geachtet, auf die Wattierung der Kanten verzichtet und den Einsatz von Mikrofaser deutlich reduziert.
Welches ist dein persönliches Lieblings-Leinen-Modell bei Wildling?
Unser Lanka – weil er einfach so ist, wie die Natur ihn schuf.
Titelbild: Flachsfasern in verschiedenen Farbschattierungen, Nora Tabel | Wildling Shoes