Anna und Ran haben Wildling Shoes vor fünf Jahren gegründet. Heute erfahren wir, welche Momente für die beiden besonders waren und wie sie sich das wilde Leben in den nächsten fünf Jahren träumen.
Was ist dein schönster Wildling Moment?
Anna:
Ich glaube ich kann da gar nicht eine einzige Erinnerung herauspicken. Es ist eher so, dass ich staunend auf eine unglaubliche Reise mit vielen schönen, überraschenden und wertvollen Momenten zurückblicke. Dinge, die einem immer in Erinnerung bleiben, sind natürlich die vielen “ersten Male”: Die erste Begegnung mit unserem Logofuchs. Der Designvorschlag für die Sohle. Der erste funktionierende Prototyp. Die ersten Kund*innen, die uns im Crowdfunding unterstützen und damit unsere wilde Idee Realität werden lassen. Aber Wildling ist für mich auch eine Geschichte von menschlichen Begegnungen und dem wunderbaren Gefühl, gemeinsam Schritt für Schritt eine Vision umzusetzen.
Ran:
Ui, die Liste ist lang! In den letzten Jahren hatten wir das Glück sehr vielen wunderbaren Menschen zu begegnen und gemeinsam an vielen, vielen Herzensprojekten zu arbeiten. Aber wenn ich mir eine Sache herauspicken soll, die typisch für Wildling als Firma und für das Team ist, dann würde ich sagen, dass es der Tag war, an dem der Sohlenproduzent uns gesagt hat, dass er die Wildling Sohle nach unseren Vorstellungen produzieren kann.
Die Idee und das Design der Sohle war so weit weg von dem, was als “normale” Schuhsohle produziert wird, dass zu Beginn einfach nicht klar war, ob wir mit dieser Idee durchkommen können. Ob wir einen Partner finden, der dieses besondere Projekt realisieren kann. Als das Team in Portugal dann überzeugt war, dass sie einen Weg gefunden hatten, die Wildling Sohle zu produzieren, war mir einfach klar: OK, wenn wir das jetzt gepackt haben, wenn wir diese Unmöglichkeit überwunden haben, dann schaffen wir alles andere auch.
Dieser Start von Wildling hat zwar viel Kraft gekostet, war für uns aber extrem wichtig. Wir hatten damals das Gefühl: Wenn wir jetzt einen Kompromiss eingehen und das Design ändern müssen, vergehen wir uns an der Kernidee unseres Projekts.
Ich würde sagen, dass dieses Beispiel bis heute zeigt, wie Wildling als Firma tickt, was oder wer Wildling ist, welche Menschen mit Wildling arbeiten möchten und natürlich auch welche sich dagegen entscheiden.
Und natürlich ist es manchmal etwas verrückt eine Idee zu verfolgen, auch wenn man gar keine Ahnung hat, wohin das Ganze führen könnte. Worauf wir uns aber immer verlassen können: Solange wir hinter unseren Entscheidungen stehen und das machen, was wir lieben und wofür wir brennen, fühlen wir uns immer auf dem richtigen Weg.
Gab es in diesen letzten Jahren auch schwere Momente?
Anna:
Der schwierigste Moment war der plötzliche Tod meines Bruders. Das war zu einer Zeit, in der wir noch ein sehr kleines Team waren und Wildling nicht ohne uns funktionieren konnte - die Arbeit musste einfach erledigt werden. Das mit der Trauer, dem Gefühl der Lähmung und Zeit für die Familie zu vereinbaren war nicht einfach. Aber nach dem ersten tiefen Tal war Wildling dann auch Ablenkung und Sinnhaftigkeit und hat mir geholfen, fest im Leben verankert zu bleiben.
Ran:
Um ehrlich zu sein, ja, gerade jetzt. Ich möchte mich aus dem Marketing zurückziehen. Das ist wirklich mit eine der schwersten Entscheidungen in meinem Leben bislang.
Es ist Teil meines Charakters, das ich mich ständig selbst beweisen muss. Wirklich immer. Wenn etwas von oder über Wildling auf Social Media kommentiert oder gepostet wird, fühlt es sich für mich so an, als wäre es direkt an mich gerichtet. Ich habe also ständig das Gefühl, dass ich dort stehe und jegliche Interaktion mit mir stattfindet. Aufgrund dieses Gefühls möchte ich, dass alles, was online von Wildling kommt, meinen Worten entspricht. Ich möchte ja allen, die mich persönlich kennen oder die Wildling schon immer begleitet und unterstützt haben, zeigen: Ja, das bin immer noch ich. Das ist immer noch Wildling.
Jede Art von Content muss für mich damit übereinstimmen, was Wildling ausmacht, wofür Wildling steht. Für mich war es immer extrem wichtig, welche Worte und Bilder wir benutzen und in welchem Tonfall Wildling “spricht”. Meine größte Angst ist es, dass wir uns von uns selbst entfremden.
Stell dir vor, du gehst auf eine Party und fühlst dich unwohl in deinen Klamotten, weil sie jemand anderes für dich ausgesucht hat. Du bist ja trotzdem angezogen und kannst auch richtig gut aussehen. Aber das, was da ausgesucht wurde, entspricht nicht direkt deiner Persönlichkeit. Das bist einfach nicht du.
Mich aus dem Marketing zurückzuziehen war hart. Es war wie eine geliebte Pflanze abzugeben, die ich immer in unserem Garten pflegen durfte. Sie wächst jetzt woanders weiter. Ich kann sie immer noch sehen, aber nicht mehr gießen und ihr helfen größer zu werden. Zum Glück weiß ich, wo diese Pflanze heute weiter wächst. Sie ist in den guten Händen vieler unglaublich talentierter und leidenschaftlicher Wildlinge. Ich kann jetzt loslassen und meinen inneren Dämonen entspannt entgegentreten.
Wie jeder Neuanfang ist auch dieser eine Herausforderung. Ich habe die richtige Entscheidung für Wildling und mich getroffen, weil ich weiß, dass wir alle das gleiche Ziel haben.
Gibt es für dich einen Wendepunkt in der Wildling Geschichte?
Anna:
Seit dem Startschuss für die Crowdfunding-Kampagne hat sich Wildling rasant entwickelt. Erst war es nur eine Idee, die uns sehr am Herzen gelegen hat, und die Hoffnung, davon als Familie irgendwann leben zu können. Die tatsächliche Nachfrage hat uns vollkommen überrascht.
Wir haben irgendwie versucht dem gerecht zu werden, nachzuproduzieren, ein Team aufzubauen. Aber während der ersten zwei Jahre hat es sich angefühlt, als würden wir hinten auf einem Wagen sitzen und uns in voller Fahrt verzweifelt festhalten, um nicht herunterzufallen, ohne jegliche Kontrolle über die Fahrtrichtung.
Das hat sich 2017 geändert, als wir uns bewusst Zeit genommen haben zu überlegen, ob wir das überhaupt wollen und was unser Ziel ist. Es ist uns klar geworden, dass Wildling die Plattform ist, mit der wir alles bewegen können, was uns wirklich am Herzen liegt - Gesundheit, Nachhaltigkeit, Fairness. Dass wir mit Wildling neue Wege finden und inspirieren können, Verantwortung übernehmen und die Rolle von Unternehmen in einer zukunftsfähigen Gesellschaft mitgestalten können. Seitdem steuern wir die Unternehmensentwicklung bewusst und mit einem klaren Ziel.
Ran:
Letztes Jahr auf dem Wildling Sommerfest hatte ich so einen Moment. Es war überwältigend zu erleben, dass so viele Menschen für eine gemeinsame Idee arbeiten und dabei so viel Freude teilen können.
Ich bin einfach unglaublich dankbar das erleben zu dürfen.
Wie hast du dich mit Wildling verändert?
Anna:
Als Mitgründerin und Geschäftsführerin muss ich meine Rolle im Unternehmen ständig anpassen - ich muss Themenbereiche abgeben, Menschen vertrauen und sie befähigen, Dinge besser zu tun als ich, damit Wildling nicht an mir scheitert. Das ist nicht immer einfach, vor allem, wenn man ein ungeduldiger, einigermaßen perfektionistischer und impulsiver Mensch ist. Dabei lernt man viel über sich selbst und das ist nicht immer bequem, aber es ist auch ein unglaublich spannender Weg.
Ich glaube, dass Wildling mir auch geholfen hat, wieder an das kindliche Urvertrauen in die eigenen Fähigkeiten anzuknüpfen. Wie ein Kind "einfach Machen" befreit von Zweifeln, Sorge und Perfektionismus hilft einem Neues unbefangen und voller Zuversicht anzugehen.
Ran:
Ich denke nicht, dass Wildling meine Persönlichkeit verändert hat.
Aber eine Sache habe ich gelernt: Wenn etwas jetzt nicht klappt, dann klappt es auf jeden Fall später. Ich glaube, dass ich heute ein bisschen besser mit meiner Ungeduld umgehen kann. Also mir fällt es immer noch schwer, aber ich hab verstanden, dass manche Dinge einfach Zeit brauchen.
Was denkst du, was du hier in fünf Jahren erzählen kannst?
Anna:
Das Leben ist unberechenbar. Vor fünf Jahren hätte ich mir nicht träumen lassen, wo wir heute stehen - ebenso wenig kann ich vorhersehen, was in den nächsten fünf Jahren passieren wird.
Wenn ich mir etwas wünschen darf, dann dass wir es schaffen, unser Ziel des “positiven Impact” umzusetzen. Gemeinsam - als Team und als Community.
Ran:
In fünf Jahren haben wir das Konzept unseres Minimalschuhs noch weiter entwickelt, es werden Projekte umgesetzt sein, die heute vielleicht noch wilde Ideen sind.
Ich wünsche mir, dass wir immer mehr Ressourcen aus Umweltprojekten nutzen, die einen positiven Einfluss auf unseren Planeten, die Menschen und Landschaften haben.
Run wild!
Anna, Ran und die Wildlinge