Baumwolle: Stoff zum Streiten

Baumwolle: Stoff zum Streiten

Seit es Wildling gibt, gibt es im Team den Diskurs: Baumwolle, ja oder nein? Auf der einen Seite stehen die negativen Aspekte und damit einhergehende Kritik vor allem am konventionellen Baumwollanbau, wie der sehr hohe Wasserverbrauch und die Arbeitsbedingungen in den weiteren Produktionsprozessen. Auf der anderen Seite bietet Baumwolle gerade für Schuhe ideale Eigenschaften: Hochwertig verarbeitete Baumwollstoffe sind extrem langlebig und abriebfest.

Doch auf keinen Fall wollen wir Baumwolle durch Kunstfasern ersetzen (das sind Fasern, die aus fossilen Rohstoffen hergestellt werden, wie Polyester). Andere Naturstoffe wie Hanf oder Leinen funktionieren am Schuh sehr gut, stellen uns aber in der Produktion noch vor ein paar Herausforderungen, die es zu überwinden gilt.

Daher: Baumwolle hat viele Vorteile. Es ist ein natürliches Material, hat eine lange Lebensdauer und ist bei entsprechender Verarbeitung sehr robust. Im Moment wollen und können wir Baumwolle nicht vollständig ersetzen. 

Machen wir das Beste draus.

Ein Kind packt das blaue Wildling Modell Saker aus einem Schuhkarton aus.
Das Modell Tengri hat ein Obermaterial aus 100% Single Source Cotton. Foto: Camila Jara barra. 

Regenerativer Ansatz Nr. 1: Über Single Source Cotton, langjährige Partnerschaften und transparente Lieferketten.

Ein Material können wir als Single Source bezeichnen, wenn wir es allein von einem Lieferanten beziehen. Durch diese Art der Beschaffung sind wir einerseits weniger flexibel, können aber die Vorteile einer vertrauensvollen Zusammenarbeit nutzen.

Mit unserem Lieferanten Elmer & Zweifel arbeiten wir seit vielen Jahren eng zusammen. Wir verwenden schon sehr lange ihre Stoffe für das Innenfutter unserer Schuhe. Eher zufällig hat sich in einem Gespräch ergeben, dass wir auch Material bekommen könnten, das als Obermaterial von Wildlingen geeignet ist.

Das deutsche Textilunternehmen wirtschaftet und handelt nach selbstgesteckten Werten. Elmer & Zweifel kaufen ihre Rohstoffe nicht auf dem Weltmarkt ein, haben eine transparente Lieferkette bis zum Anbau, setzen sich für biologischen Anbau und soziale Projekte vor Ort ein. Ihre Marke Cotonea steht für dieses Bestreben. 

“Seither kontrollieren wir die gesamte Herstellungskette vom Baumwollfeld über das Spinnen, Weben, Veredeln, Konfektionieren bis hin zum Ladenregal. Cotonea vereinbart mit den Bauern feste Preise für die benötigte Abnahmemenge, inklusive eines Bio-Aufschlags, wobei ein Mindestpreis – auch bei niedrigeren Weltmarktpreisen – nicht unterschritten wird. Eine Fair-Trade-Prämie, die an die Kooperative gezahlt wird, kommt hinzu.” Quelle: Cotonea

Unser Ziel ist es zukünftig ausschließlich Baumwolle aus Cotonea-Projekten für Virgin-Baumwolle (neu gewonnene Baumwolle, ohne Recycling-Anteile) zu nutzen. Das heißt auch, dass wir alle unsere Lieferant:innen, die für uns Baumwolle verarbeiten, gebeten haben auf Cotonea umzustellen. Mit diesen Garnen gehen wir dann gemeinsam in die Stoffentwicklung, die Vorlaufzeiten für die Planung sind also sehr lang. 

Ein der Breite nach aufgerollter Wildling Minimalschuh wird von zwei Fingern zusammengehalten. Im Hintergrund der Oberkörper einer erwachsenen Person in einem hellblauen Hemd.

Foto: @nata.horinkova 

Regenerativer Ansatz Nr. 2: Wir nehmen von dem, was reichlich vorhanden ist, und nutzen recycelte Baumwolle. 

Was an recycelter Baumwolle per se positiv ist: Es muss kein neuer Rohstoff angebaut werden, somit ist in einer ersten Bilanz recyceltes Material Ressourcen schonender als sogenanntes Virgin-Material. Dann wäre es doch eine ziemlich gute Idee, alle Wildling Modelle aus recyceltem Material herzustellen?

Stotz (Stotz & Co. AG), unser Lieferant für 100% recycelte Baumwolle verwendet pre-Consumer Waste aus Industrieabfällen, beispielsweise aus Wirkereien und Webereien. Diese Abfälle sind alle noch unbehandelt und nicht gefärbt. Was davon abgesehen auch richtig gut ist: Es werden wirklich keine Virgin-Anteile eingemischt.

Pre-Consumer bedeutet in diesem Fall allerdings auch, dass die Baumwolle nicht aus Altkleidern stammt und wir somit heute auch keine Lösung für dieses Weltproblem anbieten können.

Natürlich gibt es schon neue Garne aus Altkleidern, allerdings sind diese nie zu 100% aus reiner Baumwolle, da man nicht vollständig sortenrein sortieren kann. Zudem werden oft zusätzlich Kunstfasern eingemischt, um die Stabilität zu erhöhen.

Eine Hand fasst in einen Haufen textiler Abfälle.
Foto: Textiler Abfall. Zur Verfügung gestellt von Annabelle Hutter (Fa. Saentis Ltd).

Um aus dem Industrieabfall (also den fertig gewebten Baumwollstoffen) einzelne Fasern zum neu Verspinnen zu gewinnen, müssen diese Stoffe zerrissen werden. Die Faserlänge von dem Recyclingmaterial ist also sehr kurz. Um diese kurzen Fasern dennoch zu einem stabilen Garn zu verarbeiten, werden vier Einzelfäden miteinander verzwirnt, ein sogenannter 4-fach Zwirn. Dadurch wird das Garn natürlich sehr dick, ist nur eingeschränkt nutzbar und wir können nicht jeden anderen Baumwollstoff damit ersetzen. Für das Innenfutter der Wildling Modelle wäre es beispielsweise ungeeignet.

Aber dieses Garn hat auch richtig tolle Eigenschaften, die wir natürlich nutzen. möchten. Durch eine enge Verwebung wird es zu einem sehr dichten und robusten Stoff, der gut geeignet ist für regnerische Tage.

Regenerativer Ansatz Nr. 3: Wir machen uns auf die Suche.

Bei regulärer GOTS-zertifizierter (Global Organic Textile Standard) Bio-Baumwolle vom Weltmarkt, die wir aktuell auch noch verwenden, ist die Herkunft für uns in der Regel nicht transparent nachvollziehbar. Daher suchen wir nach weiteren Baumwolle-Quellen, wo wir, wie bei unserem Partner Elmer & Zweifel, die Lieferkette transparent nachvollziehen und bestehende Strukturen gemeinsam verändern können.

Außerdem erforschen, testen und verbessern wir weiterhin die Alternativen für Baumwolle. Wir gucken bei der Materialentwicklung, wie wir Leinen und Hanf verwenden können, und arbeiten in Projekten, die den europäischen Anbau fördern. Wir sind selber ehrlich gespannt, zu welchen Stoffen uns der Weg zu einem immer regenerativeren Produkt noch führen wird.

Titelbild: Verspinnen von Baumwolle in Handarbeit (Kirgistan), Subankulov Sanzhar